Erwachsenenvertretung (ehem. Sachwalterschaft)

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Die Erwachsenenvertretung löste im Jahr 2018 die sogenannte "Sachwalterschaft" in Österreich ab. Sie bezeichnet die Übertragung der gesetzlichen Vollmacht an eine Vertretungsperson, wenn ein Betroffener seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Welche Formen es gibt und in welchen Fällen diese relevant sind, erfahren Sie hier.

 

Erstellt von: | Aktualisiert: 02.02.2023
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Erwachsenenvertretung (ehemalige Sachwalterschaft)

Bei der Erwachsenenvertretung handelt es sich um die Übertragung der gesetzlichen Vertretung an einen Erwachsenenvertreter, wenn eine Person nicht mehr in der Lage ist, ihre Geschäfte für sich selbst wahrzunehmen. Bis zur gesetzlichen Reform 2018 wurde die Erwachsenenvertretung in Österreich als Sachwalterschaft bezeichnet.

Ein Erwachsenenvertreter kann zum Beispiel für psychisch erkrankte, beeinträchtigte oder pflegebedürftige Menschen bestellt werden. Die Erwachsenenvertretung regelt dabei die Entziehung oder Einschränkung der Rechte einer Person. Je nach Bedarf gibt es unterschiedliche Formen der Erwachsenenvertretung. Sie sind im österreichischen Erwachsenenschutzrecht (ErwSchG) geregelt, das im Juli 2018 in Kraft getreten ist.

Wichtig: 
Der Gesetzgeber sieht vor, dass eine Erwachsenenvertretung ausschließlich in Ausnahmefällen errichtet wird. Im Falle einer psychischen Erkrankung oder ähnlichen Beeinträchtigung sollen zunächst alle Unterstützungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, die ggf. eine Vertretung ersetzen können.

Auch nach der Gesetzesreform gilt weiterhin, dass die Geschäftsfähigkeit nur so weit eingeschränkt werden darf, wie dies unbedingt notwendig ist. Die vertretene Person kann ihr Leben in allen nicht von der Vertretung betroffenen Bereichen frei und ohne Einschränkungen gestalten.

Arten der Erwachsenenvertretung

Die österreichische Rechtslegung unterscheidet allgemein zwischen den folgenden vier Arten der Erwachsenenvertretung:

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1. Vorsorgevollmacht

Bei der Vorsorgevollmacht handelt es sich um die größtmögliche Form der Selbstbestimmung. Eine Person legt vorsorglich – also noch im Zustand voller Entscheidungsfähigkeit – fest, wer nach Verlust ihrer Handlungsfähigkeit für sie als Bevollmächtigter auftreten und ihre Rechte vertreten darf. Die Vorsorgevollmacht wird im Regelfall nahestehenden Personen, etwa Angehörigen oder engen Bezugspersonen, erteilt.

2. Gewählte Erwachsenenvertretung

Wenn für den Fall der Handlungsunfähigkeit nicht rechtzeitig vorgesorgt wurde, kommt die sogenannte gewählte Erwachsenenvertretung zum Tragen. Auch hier bestimmen die Betroffenen ihre Vertretung selbst. Voraussetzung ist, dass die betroffene Person mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden und noch dazu imstande ist, Bedeutung und Konsequenzen einer gesetzlichen Vertretungsperson zu verstehen (auch "geminderte Entscheidungsfähigkeit" genannt). Wie bei der Vorsorgevollmacht können für diese Form der Erwachsenenvertretung eine oder mehrere nahestehende Bezugspersonen gewählt werden, ein Verwandtschaftsverhältnis muss dafür nicht zwangsläufig vorliegen.

3. Gesetzliche Erwachsenenvertretung

Sobald weder die Vorsorgevollmacht noch die gewählte Erwachsenenvertretung möglich sind oder eine Person ihre Vertretung nicht selbst wählen möchte, kommt die gesetzliche Erwachsenenvertretung in Betracht. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage tritt diese Vertretungsbefugnis aber nicht mehr "kraft Gesetzes" ein. Das heißt, Betroffene haben vorab die Möglichkeit, der Vertretung durch bestimmte Angehörige zu widersprechen. Damit der Widerspruch rechtsgültig ist, muss er rechtzeitig im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen werden. Einträge ins ÖZVV können ausschließlich von Notaren, Rechtsanwälten etc. vorgenommen werden.

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Die gesetzliche Erwachsenenvertretung kann durch die folgenden nahestehenden Personen erfolgen:

  • Ehegatten oder eingetragene Partner
  • Eltern oder Großeltern
  • volljährige Kinder oder Enkelkinder
  • Geschwister
  • Nichten und Neffen
  • Personen, die in einer Verfügung genannt sind

Hinweis: Im Bedarfsfall können auch Erwachsenenschutzvereine, Notare, Rechtsanwälte oder andere geeignete Personen zur gesetzlichen Erwachsenenvertretung bestellt werden.

Die Reform räumt Angehörigen im Rahmen der gesetzlichen Erwachsenenvertretung weitergehende Befugnisse ein als früher. Diese Vertretungsbefugnisse sind rechtlich genau definiert und umfassen sämtliche Angelegenheiten der betroffenen Person. Möglich ist hier, dass mehrere Angehörige sich für unterschiedliche Vertretungsbereiche eintragen lassen, die sich inhaltlich allerdings nicht überschneiden dürfen. Die Vertretungsbefugnis endet nach drei Jahren, kann jedoch im Bedarfsfall erneuert werden.

4. Gerichtliche Erwachsenenvertretung

Wenn sich bzgl. der gesetzlichen Erwachsenenvertretung eine Familie nicht einigen kann, kommt eine gerichtliche Erwachsenenvertretung infrage. Letztere ersetzt die klassische "Sachwalterschaft" und kommt erst dann in Betracht, wenn keine andere der oben genannten Vertretungsformen möglich ist.

Voraussetzungen für das Bestellen eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters sind die folgenden:

  • die betroffene Person hat noch keine Vertretung
  • die Person kann oder möchte selbst keine Vertretung wählen
  • eine gesetzliche Erwachsenenvertretung kommt nicht in Betracht oder nicht zustande (aufgrund von rechtsgültigem Widerspruch, familiären Uneinigkeiten etc.)
  • eine bereits bestehende Vertretung reicht nicht aus, weil zum Beispiel komplexe rechtliche Angelegenheiten geregelt werden müssen
  • die bereits bestehende Vertretung handelt nicht zum Wohl der betroffenen Person
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Die Befugnisse der gerichtlichen Erwachsenenvertretung sind auf bestimmte sowie ausschließlich aktuell für die betroffene Person notwendige Vertretungshandlungen beschränkt. Die Vertretung wird beendet, sobald die konkrete Aufgabe erfüllt wurde, und endet in jedem Fall nach Ablauf von drei Jahren. Auch sie kann gegebenenfalls erneuert werden.

Erwachsenenvertretung beantragen: Ablauf, Formulare, Kosten

Die Beantragung einer Erwachsenenvertretung kann auf verschiedene Arten erfolgen. Sie hängen davon ab, welche Form der Vertretung infrage kommt.

Grundsätzlich müssen alle Arten der Erwachsenenvertretung per Registrierung im ÖZVV errichtet werden. Entsprechende Einträge können ausschließlich durch Notare, Rechtsanwälte oder ggf. Erwachsenenschutzvereine erfolgen. Die Kosten für die Errichtung einer Vertretung variieren somit je nach Honorar der errichtenden Stelle. 

Antrag auf Erwachsenenvertretung stellen

  • Die Vorsorgevollmacht muss schriftlich per Notar oder Rechtsanwalt erfolgen. Sie wird erst dann wirksam, wenn die betroffene Person nicht mehr entscheidungsfähig ist. Dazu ist die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses notwendig.
    Kosten: individuell je nach Notar/Rechtsanwalt etc.
  • Die gewählte Erwachsenenvertretung wird per schriftlicher Vereinbarung zwischen der Vetretungsperson und der vertretenen Person errichtet. Diese Vereinbarung muss wiederum im Beisein eines Notars, Rechtsanwalts etc. erfolgen. 
    Kosten: Je nach Errichtungststelle beginnen die Kosten bei 60 Euro.
  • Die gesetzliche Erwachsenenvertretung wird von den nächsten Angehörigen der betroffenen Person errichtet, sofern diese sich einig werden, wer die Person in welchen Angelegenheiten vertreten soll. Sie wird vom Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein im ÖZVV eingetragen.
    Kosten: Je nach Errichtungsstelle ab 50 Euro.
  • Die gerichtliche Erwachsenenvertretung erfolgt durch das zuständige Gericht mittels schriftlichen Beschlusses. Das Verfahren besteht aus mehreren Schritten – darunter bei Bedarf die Einholung eines Sachverständigengutachtens – und kann jederzeit eingestellt werden. 

Tipp: Auf der Website des österreichischen Justizministeriums finden Sie zahlreiche Vorlagen, Muster und Formulare für das Errichten einer Erwachsenenvertretung.

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Zuständige Stellen und Beratung

VertretungsNetz ist ein in Österreich gesetzlich anerkannter Verein für Erwachsenenschutz. Menschen mit psychischen Erkrankungen, intellektuellen oder sonstigen Beeinträchtigungen können sich dort beraten und vom Verein auch in verschiedenen Angelegenheiten vertreten lassen.

Der Verein unterhält Zweigstellen in allen österreichischen Bundesländern. Allein in Wien gibt es insgesamt zwölf Anlaufstellen, die jeweils für einen oder mehrere Bezirke zuständig sind.

Verein VertretungsNetz – Zweigstelle Wien

Telefonische Beratung zur Erwachsenenvertretung für ganz Wien:
+43 (0)676 833 08-1188

Erreichbarkeit:
Montag, Mittwoch und Donnerstag: 13:00 bis 15:00 Uhr
Dienstag und Freitag: 10:00 bis 12:00 Uhr

Weiterführende Links:

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