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Der "Boy Wonder" der ÖVP im Interview

Sebastian Kurz mit 30 Jahren
© Dominik Butzmann | Während andere 31-jährige erst daran denken, langsam erwachsen zu werden, greift Sebastian Kurz bereits nach der Kanzlerschaft

In Interviews wird Sebastian Kurz meist über Migrations- und Außenpolitik befragt, denn da liegen seine politischen Schwerpunkte. Doch welche Themen haben für Kurz noch Brisanz? Im Interview spricht er über Steuerfluchtrouten, mehr finanzielle Freiheit für den Bürger und den Abbau von Bürokratie.

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Was plant Sebastian Kurz für die neue Volkspartei in der nächsten Legislaturperiode und wie möchte er das Land stärken?

Die meisten Politiker haben bestimmte Themenfelder mit denen sie in Verbindung gebracht werden und zu denen sie in Interviews befragt werden. So entsteht oft der Eindruck der thematischen Einseitigkeit und die Betroffenen selbst beklagen, dass sie in der Öffentlichkeit nur auf wenige Themen reduziert werden. Nicht so bei stadt-wien.at.

Wir stellen den Spitzenkandidaten ausgewählte Fragen zu deren Laufbahn, und ihren politischen Herzensangelegenheiten und Visionen. Jeder bekommt die selben Fragen und kann selbst entscheiden, welches Thema er anspricht. So bekommen Sie, liebe Leserin und lieber Leser, einen Überblick und Vergleich.

Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung, diese können Sie am Ende des Artikels posten.

Sebastian Kurz im Interview

stadt-wien.at: Was muss sich in Österreich ändern, um den Wohlstand und die Lebensqualität für so viele Menschen wie möglich (optimal aller Menschen) zu sichern und auszubauen?
Wir werden unser Programm ganz bewusst im September präsentieren, weil wir mit möglichst vielen Menschen genau das abklären möchten: Was braucht es am nötigsten, was sind die drängendsten Probleme und Herausforderungen. Aber so viel kann ich dazu bereits sagen: es dreht sich um unseren Standort, um die Sicherung des Sozialsystems und um unsere Sicherheit. Es gibt genügend Bereiche, wo wir das System effizienter machen können, um den Menschen wieder mehr finanzielle Freiheit zu geben, etwa eine Straffung des Förderwesens, einen Abbau von Bürokratie oder den Kampf gegen Steuerfluchtrouten.

stadt-wien.at: Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Teammitglieder aus?
Ich bin der Meinung, dass Politik in der Vergangenheit zu negativ gestaltet wurde. Das hat sich nicht zuletzt darin gezeigt, dass ständig gestritten und blockiert wurde und letztlich nur noch Minimalkompromisse erzielt wurden. An dieser Art des Politikmachens wollen wir uns nicht beteiligen. Wir konnten bislang viele herausragende Persönlichkeiten für diesen neuen Ansatz gewinnen und es werden immer mehr. Viele dieser neuen Köpfe kommen auch nicht aus Kreisen der Volkspartei und eröffnen uns einen frischen Blick auf die Dinge.

stadt-wien.at: Nennen Sie Attribute, die Sie an Ihren Mitbewerbern bewundern, bzw. Ihnen positiv aufgefallen sind.
Ich habe Respekt vor allen Mitbewerbern, die sich vorurteilsfrei, engagiert und  gestalterisch für Österreichs Zukunft  einsetzen.

stadt-wien.at: Welche Errungenschaften in Ihrer bisherigen Laufbahn erfüllen Sie bereits heute mit großer Zufriedenheit?
Hier möchte ich eindeutig meine Zeit und meine Erfahrungen als Integrationsstaatssekretär nennen. Diese Herausforderung als junger Mensch für einen so wichtigen und sensiblen Bereich arbeiten zu dürfen war eine große Chance, aber auch ein enormer Druck. Der Widerstand mit dem ich konfrontiert war und mit dem umzugehen, hat mich an der Aufgabe wachsen lassen, das erfüllt mich mit Zufriedenheit.

stadt-wien.at: Was würden Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn retrospektiv anders machen?
Ich möchte eigentlich gar nichts anders machen, denn ich denke, jeder Weg, den man geht - ob ganz gezielt ausgesucht und geplant oder aber auch durch Möglichkeiten und Chancen entstandene, ganz neue Wege - sind ein gewisser Lehrpfad. Wenn ich etwas anders machen möchte, dann kann ich ja jederzeit an Veränderungen arbeiten.

stadt-wien.at: Angenommen Sie hätten die absolute Mehrheit und alleinige Entscheidungsgewalt, was würden Sie zuallererst und grundlegend ändern?
Ich bin kein Anhänger von „was wäre wenn“. Wir werden im September ein Programm präsentieren und wollen bis zum 15. Oktober möglichst viele Menschen von unserem Weg und unserer Bewegung überzeugen. Dann sind die Wählerinnen und Wähler am Wort. Sollten wir Verantwortung übertragen bekommen, wollen wir möglichst viel von unseren Ideen umsetzen.

stadt-wien.at: Wie stehen Sie zur direkten Demokratie und würden Sie einer direkten Demoktratie in Österreich nach Schweizer Modell zustimmen?
Das Schweizer Modell ist ein gewachsenes und tradiertes Modell das nicht so einfach eins zu eins umlegbar ist, da wir in Österreich eine ganz andere Gesamtstruktur aufweisen. Dennoch ist es ein sehr spannendes Modell und ich bin ein großer Freund von direkter Demokratie, denn gerade auch mit unserer Bewegung wollen wir politikferne Menschen wieder in den Kreis der Engagierten und Interessierten zurückholen. Daher haben wir auch das Vorzugsstimmenmodell präzisiert. Bei uns bekommen jene Kandidatinnen und Kandidaten ein Mandat, die am meisten Vorzugsstimmen erhalten. Auch das ist ein Mehr an direkter Demokratie.

stadt-wien.at: Sind Sie bereit, Entscheidungen zu treffen, die kurzfristig schmerzhaft sind und Ihnen Wählergunst kostet, langfristig jedoch notwendige Reformen darstellen?
Man muss die Probleme ansprechen und den Mut haben auch unpopuläre Dinge in Angriff zu nehmen. Dafür stehe ich. Wofür ich aber nicht zu haben bin, sind sicherlich verantwortungslose Wahlgeschenke.

Sebastian Kurz: Politik und Werdegang

Als "Boy Wonder" galt Orson Welles, seines Zeichens Regisseur und Schauspieler. Der US-Amerikaner sorgte in den 1930ern und 40ern bereits mit Anfang 20 für seine Arbeit als Broadway-Regisseur für Fuore. Es dauerte nicht lange, bis Hollywood den Jungspund entdeckte und er mit 25 seinen ersten Autorenfilm schuf: "Citizen Kane", ein Werk über einen streitbaren amerikanischen Tycoon, erwies sich an den Kinokassen zwar als Flop, gilt jedoch mittlerweile als Meilenstein der Filmgeschichte, der alles, was danach kam nachhaltig beeinflusste.

Boy Wonder Sebastian Kurz: Steile Politkarriere ohne Studium

Das Boy Wonder der österreichischen Innenpolitik ist unumstritten Sebastian Kurz, Spitzenkandidat der "Liste Sebastian Kurz, die neue Volkspartei" - vor wenigen Monaten noch bedeutete die Nennung dieser Partei einen erheblich geringeren Zeitaufwand, denn da hieß diese ÖVP.

Obwohl Sebastian Kurz das dritte Lebensjahrzehnt gerade erst erreicht hat, blickt er auf eine lange Politikerlaufbahn zurück:

  • Mit 16 tritt er der JVP bei und wird mit 22 schließlich Obmann ebendieser
  • Mit 24 wird er Staatssekretär für Integration
  • Mit 27 übernimmt er das Außenministerium
  • Mit 30 wird er schließlich Bundesparteiobmann der ÖVP, die mittlerweile "Neue Volkspartei" heißt.

Parallel mit der Übernahme der Volkspartei sprach sich Kurz für Neuwahlen aus, die für den 15. Oktober 2017 angesetzt sind.

Den Umfragen zufolge stehen die Chancen für die Neue Volkspartei, bei den Nationalratswahlen den ersten Platz zu belegen exzellent. Würde Kurz Bundeskanzler werden, wäre er einer der jüngsten Regierungschefs der Welt.

Kurz um: ein PR-Genie

Kurz' Selbstvermarktung ist ein Phänomen. Als er mit 24 sein Amt als Integrationsstaatssekretär antrat, reagierte die breite Bevölkerung darauf eher noch mit Unverständnis. Sein junges Alter sowie die vermeintlich nicht vorhandene Expertise (Sebastian Kurz hat sein Jus-Studium nie abgeschlossen) löste Häme aus. In den Sozialen Medien entstanden Seiten wie "Ich mach jetzt den Integrationsstaatssekretär bei Humboldt".

Doch Kurz vollbrachte das Meisterstück, dass die zu Anfang eher argwöhnische Meinung bald Begeisterung wich und er schließlich zum beliebtesten Politiker der Nation avancierte. Der junge Politiker versteht es wie kein anderer, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Alte Botschaften in neuem Gewand

Kurz ist so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau der ÖVP. Er schafft es, die atbekannten Positionen der ÖVP stylisch zu verpacken und sie als innovativ zu verkaufen. Eines der Lieblingsthemen der ÖVP, das Leistungsprinzip, hat auch für Sebastian Kurz Priorität: Seine Forderung war "Integration durch Leistung", womit gemeint ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund an dem gemessen werden sollen, was sie für die Gesellschaft leisten. Für besonders anpassungsfähige Migranten, welche schnell Arbeit finden und die deutsche Sprache gut erlernen, sollte es dadurch schneller möglich sein, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Sebastian Kurz ÖVP: Parteiprogramm

Der Erfolg von Sebastian Kurz ist wohl unter anderem darauf zurückzuführen, dass er seit jeher um das Image des besonnenen und seriösen Staatsmannes bemüht ist, wohl um das "Handicap" seines jungen Alters auszugleichen und vergessen zu machen. 

Der Außenminister gibt sich gerne als Stimme der Vernunft. So meint er etwa öfter, man müsse damit aufhören zwischen "Gut" und "Böse" zu unterscheiden. Sein Auftreten wird in Politanalysen oft als "fehlerlos" bezeichnet. Kurz' perfektionistische und tadellose Fassade scheint im krassen Gegensatz zu dem seines Mitstreiters Heinz Christian Strache zu stehen, der über einen eher raubeinigen Charme verfügt.

Doch so sehr sich beide Spitzenkandidaten in ihrem Auftreten unterscheiden, so ähnlich sind sie sich in ihren Inhalten. Denn so moderat Sebastian Kurz an der Oberfläche erscheinen mag, befasst man sich mit seinen Aussagen, wird deutlich, dass er inhaltlich gesehen ein Hardliner ist:

Außenpolitik

In der Flüchtlingspolitik, eines der Kernthemen des Wahlkampfs, plädiert Kurz für eine Politik der Abschottung.

Schließung der Mittelmeerroute

Er fordert die Schließung der Mittelmeerroute, wodurch für die Schlepper die Überfahrt von Migranten aufs europäische Festland unmöglich gemacht werden soll. Kurz argumentiert damit, dass die Menschen deshalb gar nicht erst versuchen würden, das Mittelmeer zu überqueren und das Ertrinken von Menschen dadurch verhindert werden könne.

"NGO-Wahnsinn"

Zudem kritisiert er NGOs, die Flüchtlinge aus Schlepperbooten aufgreifen und ans europäische Festland bringen. In diesem Zusammenhang verwendet er auch die Bezeichnung "NGO-Wahnsinn". Stattdessen sollte man diese zurück an die libysche Küste bringen, so Kurz. Dieser Vorschlag wird von vielen jedoch abgelehnt, denn diese Region ist in der Kontrolle von Warlords und die Zustände in libyschen Flüchtlingslagern eine Katastrophe.

Australien als Vorbild in der Flüchtlingspolitik

Kurz' Vorschlag, sich in der Flüchtlingspolitik das australische Modell als Vorbild zu nehmen, stieß ebenfalls auf Unverständnis. In Australien werden Flüchtlinge auf der Insel Nauru in Lagern unterbracht. Schon seit längerem ist bekannt, dass der Zustand der Lager katastrophal ist und die Bewohner schlecht behandelt werden.

Kurz' Innenpolitik

Sozialhilfe für Ausländer erst nach 5 Jahren

EU-Bürger aus dem Ausland die in Österreich leben und arbeiten sollen erst nach fünf Jahren Anspruch auf Sozialhilfe bekommen. In der Pressestunde vom März argumentiert Kurz damit, dass damit verhindern werden sollte, dass es eine Zuwanderung ins österreichische Sozialsystem gibt oder nach dem Verlust der Arbeitsstelle in der Position des Sozialhilfebeziehers verharren würden. Diese Argumentation ist durchaus nicht unproblematisch, bemüht er damit doch -bewusst oder unbewusst - das Klischee des faulen Ausländers der sich auf der soziale Hängematte ausruht. 

Null-Euro-Jobs für Asylberechtigte

2016 forderten Teile der ÖVP, allen voran Innenminister Wolfgang Sobotka und Sebastian Kurz, dass man Asylberechtigte, die arbeitslos sind, zu sogenannten Null-Euro-Jobs verpflichten sollte, ansonsten würden diese Anspruch auf Mindestsicherung verlieren. Die Verpflichtung zu ehrenamtlichen Tätigkeiten soll Asylwerber unter anderem dabei helfen, sich besser zu integrieren, so Kurz

Schließung von Islamkindergärten

Aktuell zieht Sebastian Kurz gegen Islamkindergarten zu Felde, über die er sagt, dass sie die Kinder abschotten und eine Parallelgesellschaft begünstigen würden. Mittels verschärfter Qualitätskriterien will er die Schließung der Islamkindergärten erwirken. 

Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40%

Zu Beginn des Wahlkampfes stellte Sebastian Kurz die Forderung, die  Steuer- und Abgabenquote auf 40% zu senken. Die 14 Milliarden Euro, die dem Staat dadurch jährlich abhanden kommen, will er aus anderen Bereichen zu Verfügung stellen, etwa indem die jährlichen Erhöhungen von diversen Förderungen an die Inflation anpasst. Auch diese Forderung ist nicht neu: Bereits unter Wolfgang Schüssel vertrat die ÖVP diese Position.

Sebastian Kurz' politisches Talent steht außer Zweifel. Trotz seines jungen Alters zählt er zu den dienstältesten Regierungsmitgliedern. Er schafft es erfolgreich, das Bild des besonnenen und moderaten Staatsmannes zu vermitteln und hat ein untrügliches Gespür für emotionale politische Themen. Indem er auch Hardlinerpositionen wie das Migrationsthema bezieht und dabei dennoch rational und ausgleichend wirkt, wirkt er attraktiv für einen großen Teil der Wählerschaft.

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