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Der pinke Bergbauer mit dem "Austrian Dream"

Matthias Strolz
© NEOS | Matthias Strolz ist Gründer und Obmann der NEOS

Bildungs- und Wirtschaftspolitik - das sind Themen, die bei den NEOS besonderen Stellenwert genießen. Im Interview spricht Matthias Strolz über Umgestaltungen im Bildungssystem und wie er die Wirtschaft Österreichs nachhaltig verändern möchte. 

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Die meisten Politiker haben bestimmte Themenfelder mit denen sie in Verbindung gebracht werden und zu denen sie in Interviews befragt werden. So entsteht oft der Eindruck der thematischen Einseitigkeit und die Betroffenen selbst beklagen, dass sie in der Öffentlichkeit nur auf wenige Themen reduziert werden. Nicht so bei stadt-wien.at.

Wir stellen den Spitzenkandidaten ausgewählte Fragen zu deren Laufbahn, und ihren politischen Herzensangelegenheiten und Visionen. Jeder bekommt die selben Fragen und kann selbst entscheiden, welches Thema er anspricht. So bekommen Sie, liebe Leserin und lieber Leser, einen Überblick und Vergleich.

Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung, diese können Sie am Ende des Artikel posten.

Matthias Strolz im Interview mit Stadt-Wien.at

stadt-wien.at: Was muss sich in Österreich ändern, um den Wohlstand und die Lebensqualität für so viele Menschen wie möglich (optimal aller Menschen) zu sichern und auszubauen?
Um den Wohlstand in Österreich zu sichern und noch auszubauen, müssen wir an mehreren Ecken anpacken.

Zum einen bei der Bildung. Bildung ist das wichtigste Zukunftsthema. Sie schafft Voraussetzungen, das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten und ist der Schlüssel, um auch die Herausforderungen am Arbeitsmarkt oder der Integration zu bewältigen. Daher verlangen wir die volle personelle, finanzielle und pädagogische Autonomie für Schulen. Das Parteibuch verbannen wir aus der Schule.

Neben der besten Bildung braucht es auch eine funktionierende Wirtschaft. Wir wollen neben einer Bürokratiebremse eine moderne Gewerbeordnung. So sollen sich Unternehmer_innen wieder um Kund_innen, Aufträge und Mitarbeiter_innen kümmern können statt um bürokratische Hürden. Innovationen dürfen nicht an veralteten Vorschriften scheitern und Arbeitszeiten müssen flexibler gestaltet werden. Wir wollen unternehmerisches Denken früh in unserer Gesellschaft verankern, um aus Österreich ein Land der Gründer_innen zu machen.

Um Ambitionen zu verwirklichen, muss man sich von Ballast befreien und Ketten sprengen. In Österreich blockieren ein verkrustetes Parteien-System, verschwenderische Strukturen und undurchsichtige Netzwerke die Potentiale. Es braucht Mut und Unabhängigkeit, um Österreich besser und generationsgerechter zu machen!

stadt-wien.at: Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Teammitglieder aus?
Nach Qualifikation.

stadt-wien.at: Nennen Sie Attribute, die Sie an Ihren Mitbewerbern bewundern, bzw. Ihnen positiv aufgefallen sind.

Christian Kern: Er ist jetzt in seiner Rolle angekommen.
Sebastian Kurz: Er ist talentiert.
HC Strache: Hält sich schon lange als Parteichef.
Lunacek: Hat gelernt, Europa zu lieben.

stadt-wien.at: Welche Errungenschaften in Ihrer bisherigen Laufbahn erfüllen Sie bereits heute mit großer Zufriedenheit?
Es ist mir gelungen, eine Bewegung mit aufzubauen, die auf Anhieb den Einzug ins Parlament geschafft hat, die in den Jahren danach noch weiter gewachsen ist und jetzt zeigt, wie man guten Allianzen für die Menschen in Österreich noch mehr erreichen kann. #Bürger_innenbewegung

stadt-wien.at: Was würden Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn retrospektiv anders machen?
Jede und jeder wird rückblickend Dinge finden, die man vielleicht anders machen hätte können. Das ist nur natürlich. Aber damals wusste ich oder konnte ich es nicht besser. Also – Schwamm drüber. Ich blicke stets nach vorn. Entschlossen weiter!

stadt-wien.at: Angenommen Sie hätten die absolute Mehrheit und alleinige Entscheidungsgewalt, was würden Sie zuallererst und grundlegend ändern?
Ich bin der Meinung, dass es endlich eine echte und umfassende Bildungsreform braucht. Dafür würde ich mich einsetzen und die Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellen. Viel zu lange schon hat die Politik dabei zugesehen, wie es mit unserem Bildungssystem bergab geht. Aufgrund ihrer interessens- und parteipolitischen Verstrickungen war die Bundesregierung außer Stande oder nicht Willens, einen transparenten und partizipativen Reformprozess im Bildungsbereich aufzusetzen. Die im Sommer beschlossene Bildungsreform hat eines gesichert: Bildungspolitik bleibt über die nächsten Jahrzehnte Machtpolitik. Ich möchte eine Bildungspolitik ohne Parteipolitik, dafür mit personeller und finanzieller Stärkung von Kindergärten und Volksschulen, sowie einer Schulautonomie, die ihren Namen auch verdient. Die Rechnung für den jetzt beschlossenen Murks haben nun die Jugendlichen zu bezahlen. Zu viele Jugendliche und Schülerinnen und Schüler werden um ihre Chancen gebracht. Wir brechen immer noch zu viele Flügel.

Wir werden nur die Besten für unsere Kleinsten einsetzen. Lehrer_in wird zum besten Job der Republik. Deshalb erhöhen wir die Bezahlung pädagogischer Fachkräfte in den Kindergärten und anderen Bildungseinrichtungen entsprechend ihrer Verantwortung. Einheitliche Qualitätsstandards eröffnen allen Kindern die „Mittlere Reife“ als Abschluss.

Wir werden alle Schulen für eine chancengerechte gesellschaftliche Durchmischung gewinnen. Schulen, die von Anfang an bereit sind die Flügel aller Kinder zu heben, bekommen deutlich mehr Geld.

Wir werden ein Chancenkonto für jeden Erwerbstätigen eröffnen, denn Lernen endet nicht in der Schule. Damit schaffen wir einen Anreiz für Aus- und Weiterbildung während des Berufslebens und eröffnen neue Perspektiven am Arbeitsmarkt sowie in der persönlichen Entwicklung.

Wir werden eine Qualitätsoffensive an den Hochschulen umsetzen. Mit nachgelagerten Studiengebühren und einem gleichzeitigen Ausbau der Stipendien schaffen wir Top Unis für alle.

stadt-wien.at: Wie stehen Sie zur direkten Demokratie und würden Sie einer direkten Demokratie in Österreich nach Schweizer Modell zustimmen?
Wir wollen eine aktive und lebendige Demokratie, in der die Bürger_innen selbst über ihre Zukunft bestimmen können. Wir fordern einen starken Ausbau der direkten Demokratie und der Mitbestimmung, für die sich dank der Digitalisierung neue Möglichkeiten bieten. Dazu wollen wir Beteiligungshürden deutlich abbauen. So sollen z.B. Volksbegehren künftig schon verpflichtend durch den Nationalrat behandelt werden, wenn 1% der Österreicher_innen ein Anliegen unterstützen. Außerdem wollen wir die “Digitale Demokratie” deutlich ausbauen und „Liquid Democracy“-Elemente, also mehr direkte Mitsprache und Mitentscheidung, in den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess einfließen lassen. Ja, die Schweiz könnte prinzipiell als Beispiel dienen.

stadt-wien.at: Sind Sie bereit, Entscheidungen zu treffen, die kurzfristig schmerzhaft sind und Ihnen Wählergunst kostet, langfristig jedoch notwendige Reformen darstellen?
Ich bin davon überzeugt, dass man in der Politik ehrlich sein und seinen Überzeugungen folgen muss. Dass alleinige Schielen auf Wählerstimmen und das damit einhergehende Taktieren wird über kurz oder lang bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht ankommen. Mein Zugang zu Politik ist es, die Chancen der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – und entsprechend zu handeln. Dass viele Reformen notwendig sind, um beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger auch nachhaltig durch eine umfassende Steuerreform entlasten zu können, ist wohl unbestritten. Hier muss aber einmal der Staat bei sich selbst anfangen – wir wollen einen athletischen Staat, der die Muskeln an der richtigen Stelle hat. Reformen, die den Menschen das Geld aus der einen Tasche ziehen, um es ihnen in die anderen Tasche wieder zurückgeben, verdient den Namen Reform ganz sicher nicht.

stadt-wien.at: Mit welcher berühmten Persönlichkeit (lebend oder auch bereits verstorben) würden Sie gerne einen Abend verbringen und warum?
Frühstück mit Bono Vox von U2 ist ausständig. Ich arbeite dran. ;-)

Weitere Interviews mit den Spitzenkandidaten

Matthias Strolz und seine Politik

Man muss kein Altphilologe sein um zu wussen was das im Altgriechischen wurzelnde Wort "Neos" bedeutet: "Die Neuen". Und genau als das sehen sich die NEOS selbst: Als neue Kraft, deren Ziel es ist, das Land politisch von Grund auf zu erneuern. Mit diesem Selbstverständnis schaffte es die 2012 gegründete Partei bei den Nationalratswahlen 2013 auf Anhieb - wenngleich mit 5% auf relativ knapp - ins Parlament. Der Reiz des Neuen hatte seine Wirkung getan.

Vier Jahre später, im Vorabend zur Nationalratswahl 2017 ist der Glanz des Neuen verflogen. Das Interesse an den NEOS ist gesunken und man weiß nicht so recht, wofür die junge Partei politisch überhaupt steht: wirtschaftspolitisch neoliberal, gesellschaftspolitisch liberal, eine Alternative für Bobos, denen die Grüne zu radikal sind und Unternehmern, die mit der ÖVP noch immer das Kerzerlschlucker-Image verbinden. Doch sind diese Vorurteile zutreffend?

Absolute Mehrheit beim Selbstbewusstsein

Ins Leben gerufen wurden die NEOS von Matthias Strolz, der in der Vergangenheit ÖVP-Funktionär war. Als Grund dafür, seinen gut bezahlten Job als Unternehmensberater gegen den eines Politikers einzutauschen, gibt Strolz an, dass er dem "Ruf seines Herzens" gefolgt. Man mag sich angesichts einer solchen Wortwahl fragen, ob er nicht zuviele Paulo Coelho-Romane gelesen hat.

In der Vegangenheit war Strolz unter anderem als Rhetoriktrainer tätig. Unter seinen Fittichen befand sich etwa ein 17-jähriger namens Sebastian Kurz, dem er geraten haben soll, etwas mehr Cowboy und weniger JVP zu sein.

Strolz haftet die Aura eines Motivationscoaches an und tatsächlich scheint er genau diese Rolle sowohl für seine eigene Partei als auch für die Wählerschaft zu haben. Er wird nicht müde, in Interviews zu beschwören, dass die NEOS die einzige Partei sei, die in der Lage wäre, Österreich wirklich zum Positiven zu verändern und dass sie im Besitz der Patenrezepte wären. Klare Sache: obwohl es alles andere als gewiss ist, dass die NEOS bei der nächsten Wahl die Fünf-Prozent-Hürde überwinden, mangelt es Strolz vor allem an einer Sache nicht: an Selbstbewusstsein.

Als Grund, warum der Erfolg der NEOS seit den letzten Nationalratswahlen auf Dauerurlaub zu sein scheint, bemüht Strolz gerne die Mär davon, dass mächtige Instanzen und Fädenzieher kein Interesse daran hätten, die pinke Bewegung an die Hebeln der Macht zu lassen. 

Der Industrielle und Teilzeit-Politiker (Liberales Forum) Hans-Peter Haselsteiner gehört offensichtlich nicht zu diesen Widersachern: dank seiner finanziellen Unterstützung hatten die NEOS das nötige Kleingeld um es 2013 in den Nationalrat zu schaffen. Im Gegenzug wurde er von den NEOS als Ministerkandidat gelistet.

Ich - Wir - NEOS

Eines hat Matthias Strolz seinen Mitbewerbern jedoch voraus: Während die Websiten der anderen Parteien ausnahmslos überladen und unübersichtlich sind, gilt auf der Homepage von Matthias Strolz vor allem ein Prinzip: Keep it simple.

So kann man auf der Startseite zwischen drei Punkten auswählen "Ich", "Wir", und "Neos". Der minimalistische Stil erinnert an das geradlinige Design der Online-Präsenzen von Werbe- und Marketingagenturen und spricht einmal mehr für das Klischee, hauptsächlich Yuppies zu bedienen.

Pinker Bergbauer mit Austrian Dream

Nichts läge Matthias Strolz ferner. Bei der Suggestivfrage mancher Interviews, dass die NEOS doch in erster Linie die junge urbane Elite bedient, verweist er darauf, dass seine Partei auch Wähler jenseits von Bobostan ansprechen würde. So gäbe es etwa in verschiedenen Bundesländern Zusammenschlüsse von "pinken Bergbauern". Mit diesem fühlt sich Strolz auch in einem besonderen Maße verbunden, denn er betont gerne seine Herkunft aus einer Vorarlberger Bergbauernfamilie. Nicht ohne einen gewissen Pathos schildert er seine Biografie, von der frühen Kindheit, über sein Studium und seine Arbeit im Sozialbereich und der Privatwirtschaft bis hin zu seinem Einstieg in die Politik, der vor allem durch idealistische Beweggründe in Gang gesetzt wurde. Diese Art der Selbstinszenierung als Selfmade-Man erinnert ein bisschen an die Legende vom nicht tot zu kriegenden American Dream,  nur dass er auf die Alpenrepublik ausgelegt wird - fast so, als würde Strolz der Wählerschaft damit mitteilen wollen: Make Austria Great Again.

Championsleague barfuss mit Irmgard Griss

Wird Matthias Strolz in Interviews darauf hingewiesen, dass die NEOS schon seit einiger Zeit in den Umfragen stagnieren und sich das Wachstum in Grenzen halte, hält er gerne entgegen, dass sich seine Partei ausschließlich von Spenden finanzieren würde und es eine große Leistung wäre, es damit in den Nationalrat geschafft zu haben. Die NEOS würden in der Championsleague mitspielen und zwar barfuss - diese Metapher bemüht Strolz gerne und regelmäßig.

In diesem Spiel soll in Zukunft auch die ehemalige Bundespräsidentschaftskandidatin Irmgard Griss mitspielen. Die Juristin wurde von den NEOS bereits in der Präsidentschaftswahl unterstützt und kandidiert auf der Liste auf Platz 2. Ihr zuliebe haben die NEOS sogar ihren Listennamen angepasst in:  "NEOS - Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" was Strolz und die NEOS unter Verantwortung verstehen zeigt sich an ihrem politischen Programm:

Außenpolitik

Europäische Regelungen bei der Flüchtlingskrise

Laut Strolz siedeln sich die NEOS in bezug auf die Flüchtlingskrise jenseits von Links und Rechts an; sondern fordern Lösungsorientiertheit ein. Um diese zu gewährleisten bedarf es laut Strolz klare Regeln die auch eingehalten werden, die Kontrolle der EU-Außengrenze, Registrierzentren und schnelle Verfahren die höchsten 180 Tage dauern. Zudem sollte der Arbeitsmarkt für Asylberechtigte möglichst schnell geöffnet werden.

EU als "Leuchtturm": Abkehr von den Nationalstaaten

Strolz plädiert für eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Länder. In diesem Zusammenhang führt er drei Punkte an, die Priorität haben sollten: 

  • Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitit mit einer europäischen Armee für friedenstiftende Einsätze
  • Verstärkte Nutzung der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt
  • Europa als Republik und Abkehr von den Nationalstaaten

Innenpolitik

Bildung

Eine Priorität der NEOS liegt in der Bildungspolitik. Zum Erfolgszept gehören für Strolz in dieser Hinsicht folgende Zutaten:

  • Ein einheitlicher Qualitätsrahmen 
  • Mehr Fachpersonal
  • Aufwertung der Lehre und Einführung der mittleren Reife mit 15 Jahren
  • Schulautonomie
  • Zugangsbeschränkungen und Aufstockung der Stipendien für Hochschulen

Mehr Unternehmergeist für die Wirtschaft

Bei Wirtschaftsthemen ähnelt die NEOS in mancher Hinsicht der Volkpartei. Strolz fordert eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote, sowie der Lohnebenkosten. Zudem sollte die Bürokratie zurückgedrängt, die Kammerpflicht abgeschafft und das Gewerberecht neu überarbeitet wer.den Und auch die Digitalisierung möchte Strolz verstärkt für den Arbeitsmarkt nutzen

Auch wenn es in den Umfragen für die NEOS nicht allzu rosig aussieht, Matthias Strolz verliert seinen Optimismus nicht und wird nicht müde dabei, die eigene Begeisterung für die pinke Bewegung auch an die Wählerschaft zu vermitteln. Dass er sich Irmgard Griss für die kommenden Neuwahlen ins Boot hat, könnte einige Prozentpunkte mehr bringen.

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