Palais Harrach

Palais Harrach

Das Palais Harrach, ein hochbarocker Palastbau, liegt an der Freyung im 1. Wiener Gemeindebezirk. Es gilt als historische Sehenswürdigkeit, befindet sich jedoch in Privatbesitz.

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Zur Geschichte des Palais Harrach

Im Jahre 1435 erwarb Jörg von Puchheim drei kleine Häuser an der Ecke Freyung und Herrengasse. Er ließ sie zu einem Wohnsitz zusammenbauen. 1626 kaufte der Freiherr und spätere Reichsgraf Karl von Harrach diesen Besitz. Seine Familie stammte aus Südböhmen, wo sie im 13. Jahrhundert erstmals genannt wird. 1658 veräußerten die Harrach das umgebaute Haus an die Familie Auersperg. Kurz vor Beginn der zweiten Wiener Türkenbelagerung kam es 1683 in diesem Stadtbereich zu einem großen Brand, dem auch das Stadthaus der Auersperg zum Opfer fiel. 1689 erwarb Graf Ferdinand Bonaventura I von Harrach, kaiserlicher Botschafter in Spanien und Berater Kaiser Leopolds I, die Brandruine. Die noch brauchbaren Bauteile wurden integriert und aufgestockt. 1692 war der Rohbau bereits vollendet. Planer der ersten Bauarbeiten war Christian Alexander Oedtl, dem auch die Bauausführung oblag.

Der Bauherr dürfte mit seinem Entwurf aber nicht voll zufrieden gewesen sein, da er den italienischen Architekten Domenico Martinelli nach Wien berief. Dieser schickte noch 1689 von Rom aus ein erstes Konzept nach Wien. Er nahm bis 1694 wesentliche Änderungen, vor allem an der Fassade vor. Oedtl hatte als Hauptfassade die Herrengasse-Front vorgesehen und bereits mit den Bauarbeiten begonnen. Martinelli verzichtete hier auf große Änderungen und baute die von Oedtl als Nebenfront geplante Freyung-Seite zur Schauseite aus. Um einen repräsentativen Neubau mit einer Enfilade der Festräume erstellen zu können, musste die Freyung-Front um 10 m in den Platz vorgerückt werden. Die Ausgestaltung des Inneren war 1696 vollendet. Der Hof-Stukkateur Johannes Piazoll wurde 1691 mit der Ausschmückung der Decken beauftragt. Bis 1696 schuf er auch die Stuckarbeiten in der Kapelle sowie die Mosaik-Verkleidung der grottenähnlichen Sala terrena. Antonio Beduzzi war als Dekorationskünstler tätig.

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Ab 1701 wurde Johann Lucas von Hildebrandt mehrfach für Änderungen herangezogen. Auf ihn dürfte der Aufbau des Kapellenaltares zurückgehen. Hildebrandt entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten zum Hausarchitekten der Familie Harrach und war auf nahezu allen ihrer Schlösser tätig. Er konzipierte auch 1721 die wesentlich vergrößerte „Saletta“ im Vorgarten am Spitz zwischen Herrengasse und Freyung. Graf Ferdinand Bonaventura lebte als Diplomat nur selten in Wien. Erst als er 1703 zum Obersthofmeister Kaiser Leopolds I ernannt wurde, konnte er sein Palais nichtig nutzen. Auch Graf Ernst Guido Harrach, der das Stadtpalais 1749 erbte, plante nicht hier zu wohnen, da er Schloss Prugg in Bruck/Leitha bevorzugte. Er vermietete es an den französischen Botschafter Marquis d’Hautefort und dann bis 1762 an seinen Onkel Ferdinand Bonaventura II Graf Harrach.

1844 kam es unter Franz Ernst Graf Harrach zu größeren Umbauten, die vor allem Platz für die Gemäldegalerie bringen sollten. Dabei wurde auch die Fassade zur Freyung völlig umgestaltet. Für die Galerie war das oberste Geschoß vorgesehen. Dieses musste aber zuvor erhöht werden. Aus dem Mezzanin entstand ein Vollgeschoß. Die auf die verschiedenen Harrach-Schlösser in Böhmen und Österreich aufgeteilten Gemälde wurden nun in Wien konzentriert. Ein weiterer Zuwachs hatte sich durch den Verkauf des Gartenpalais auf der Landstraße ergeben. Zeitweise waren bis zu 1000 Werke ausgestellt. Auch die Front zur Herrengasse wurde aufgestockt, der Fassadenschmuck blieb aber unberührt. Die Innenausstattung wurde um 1850 zum Großteil durch das Wiener Atelier Franz Schönthaler erneuert. Unter dem Architekten Franz Beer kam es ab 1853 zu weiteren Umbauten. Damals wurden die Attikafiguren von Franz Klieber aufgestellt und die Innenräume im Stil des Zweiten Rokoko neu ausgestattet.

Die Familie Harrach verbrachte im 19. Jahrhundert meist nur die Winter in Wien, während sie im Frühjahr und Herbst auf Schloss Prugg lebte und im Sommer ihre böhmischen Besitzungen frequentierte. 1886 wurde die Gemäldegalerie für das Publikum geöffnet. 1944 wurden die Flügelbauten des Gartenhofes durch Bombentreffer zerstört und die Fassade an der Freyung stark beschädigt. Hildebrandts Saletta wurde komplett vernichtet. Beim Wiederaufbau des Palais in den Jahren 1948 bis 1952 versuchte der Architekt Michel Engelhart den barocken Originalzustand des 18. Jahrhunderts wiederherzustellen. Damals wurden auch die zwischen 1774 und 1785 abgetragenen Giebel über den Seitenrisaliten erneuert. Der im 19. Jahrhundert errichtete Wintergarten wurde wieder abgetragen.

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Bis 1969 befand sich die damals bedeutendste private Gemäldesammlung Österreichs im Palais, doch wurde diese schließlich nach Schloss Rohrau (NÖ) transferiert, wo sie sich noch heute befindet. Das Palais blieb bis 1975 im Besitz der Familie. Als die Gräfin Stefanie Harrach dieses verkaufte, waren die Kriegsschäden im Inneren noch nicht behoben. Das Gebäude stand nun lange leer, wodurch die Substanz weiter litt. 1981 erwarb die Stadt Wien das Palais von der Wohnbaugesellschaft GESIBA. Pläne hier das Kulturamt der Stadt Wien unterzubringen, konnten nicht verwirklicht werden. Nach einem neuerlichen Eigentümerwechsel erwarb 1990 die Immobiliengesellschaft ÖRAG den Bau, ließ ihn durch den Architekten Manfred Wehdorn restaurieren und nutzt ihn seither als Mietobjekt. Das Dach wurde erneuert und ausgebaut. In den Prunksälen des ersten Stocks fanden ab 1994 Sonderausstellungen des Kunsthistorischen Museums statt, doch wird derzeit für die Beletage ein neuer Mieter gesucht.

Das Palais Harrach steht am Beginn der Entwicklung des hochbarocken Palastbaues in Wien. Die dreizehnachsige Fassade an der Freyung wird durch die beiden übergiebelten zweiachsigen Seitenrisalite und ein rundbogiges Portal in der Mitte betont. Die senkrechte Gliederung erfolgt durch korinthische Riesenpilaster, die alle drei Geschosse zusammenfassen. Die Fenster der Beletage sind mit segmentbogigen und dreieckigen Verdachungen versehen. Über dem repräsentativen Mittelportal springt ein, auf zwei freistehenden toskanischen Säulen ruhenden Steinbalkon vor. Zwei Rundbogennischen flankieren das Tor. Über dem Mittelfenster ist ein steinernes Wappen der Familie Harrach angebracht.

An den Enden der Hauptfront gibt es zwei kleinere und einfachere Rundbogentore. Die zur Schottengasse gerichtete Seitenfassade ist konkav geknickt. Das vieleckige Treppentürmchen ist ein Rest des abgerissenen Wintergartens. Das hinter dem Hauptportal liegende querovale Vestibül führt durch ein Rundbogentor zum rechteckigen Großen Hof. Seine Pfeilerarkaden sind verglast bzw. verblendet. Eine Hofecke ist mit einem Brunnen geschmückt, dessen Wasserspeier als Maskaron ausgebildet ist. Im gesprengten Segmentgiebel des Brunnenaufsatzes steht eine große steinerne Ziervase. An der linken Hofseite führt ein Durchgang zum Kleinen Hof, der an das benachbarte Palais Ferstel grenzt. Auch seine Pfeilerarkaden sind heute weitgehend verglast. Die Verbindung zur Ferstel-Passage wurde erst bei der letzten großen Renovierung geschaffen. Vom Vestibül gelangt man rechts zur Sala terrena. Dieser Eckraum im rechten Seitenrisalit stellte seinerzeit die Verbindung zum heute nicht mehr existierenden Garten her.

Architektur und Innenausstattung des Palais

An der linken Seite des Vestibüls öffnet sich eine fast quadratische, von zwei Fenstern erhellte Halle in drei Bögen zum Treppenhaus. Der Stiegenaufgang ist für die Zeit seiner Erbauung ungewöhnlich prunkvoll und farbig. Eine Mitteltreppe führt zu einem Wendepodest, von dem man dann gegenläufig über zwei seitliche Arme die Beletage erreicht. Die roten Marmorbalustraden dieser Arme sind an ihren Enden mit Vasen besetzt. Zwei reich verzierte Rotmarmor-Portale ermöglichen den Zugang zur Antecamera. Ihr mit Cherubsköpfen und Fruchtgehängen stuckiertes Spiegelgewölbe stammt noch vom Ende des 17. Jahrhunderts.

Die Wände sind mit Boiserien verkleidet. Die Ausgestaltung der Innenräume wurde in den vergangenen Jahrhunderten stark verändert. Der Stuck des Treppenhauses wurde erst im 20. Jahrhundert angebracht. Jener der Repräsentationsräume entspricht zwar dem 17. Jahrhundert, wurde aber im Zuge der Umbauten nach 1844 wesentlich ergänzt. Viele Ausstattungsstücke, etwa die zahlreichen Supraportenbilder, befanden sich ursprünglich im ehemaligen Gartenpalais der Familie Harrach in der Ungargasse. Sie sind der letzte Rest der Harrachschen Gemäldegalerie, der sich im Stadtpalais erhalten hat. Der 1853 von Franz Beer konzipierte Festsaal ist ein wichtiges Werk des Zweiten Rokokos in Wien. Seine Wände zeigen eine rötlich-graue Stuccolustro-Verkleidung und der Plafond vergoldete Stuckarbeiten. Der intarsierte Parkettboden ist noch original.

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Antonio Beduzzi dürfte das dreiteilige Deckenfresko der Galerie geschaffen haben, doch wurde es im 19. Jahrhundert teilweise übermalt, so dass eine hundertprozentige Zuschreibung nicht möglich ist. Als Architekturmaler ist an seinen Schwiegersohn Ippolito Sconzani zu denken. Während die links von der zentralen Galerie angeordneten Salons für den Hausherrn bestimmt waren, residierte im rechten Trakt die Gräfin. Die hochbarocke Ausstattung (um 1720) dieser Räume ist großteils erhalten geblieben. An der Ecke zur Herrengasse liegt die zweigeschossige Hauskapelle. Ihr ovales Kuppelfresko wurde von Johann Michael Rottmayr um 1720 geschaffen. Es zeigt die Maria Immaculata mit Gottvater.

Die Wände des zweijochigen Saales werden durch rote korinthische Marmorpilaster gegliedert. Ihre vergoldeten Kapitelle sind mit Engelsköpfen verziert. Der prunkvolle Marmoraltar wurde 1718 von Antonio Beduzzi entworfen. Als Bildhauer der zwei Engelsstatuen, die eine große Krone über den Altar halten, wird Lorenzo Mattielli vermutet. Das Altarbild ist die Kopie eines Gemäldes von Jusepe de Ribera, das sich in der Harrachschen Gemäldesammlung befindet. Das Herrschaftsoratorium wurde durch Beduzzi mit intarsierten und vergoldeten Holzverkleidungen ausgestattet. Der Bandlwerkstuck sowie die Putten der Decke sind Santino Bussi zuzuschreiben. Die tonnengewölbte Keller unterhalb des Mitteltraktes wurden ursprünglich als Stallungen verwendet. In der leider zerstörten Saletta Hildebrandts befand sich ein großer Mittelraum, der von Gaetano Fanti ausgemalt worden war.

Text + Bild: www.burgen-austria.com

Ort/Adresse:
1010 Wien (1. Bezirk), Freyung 3

Besichtigung:
Das Palais befindet sich im Privatbesitz einer Stiftung und kann damit nur von außen sowie über den Innenhof besichtigt werden. 

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