Die Ära Bernhard/Peymann am Burgtheater

Im Bernhardhaus hängt dieses Gemälde von Thomas Bernhard
© Bernhardhaus, Foto eines Gemäldes | Thomas Bernhard (1931-1989), immer noch in aller Munde

Stadt-Wien.at lässt exklusiv noch einmal die Ära Bernhard am Burgtheater Revue passieren. Vom Heldenplatz-Skandal 1988 bis hin zu seinen Büchern und Theaterstücken.

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Thomas Bernhard der Netzbeschmutzer

„Es gibt keine bessere Österreich Werbung als Thomas Bernhard“, soll der Dramatiker Heiner Müller am Höhepunkt des Heldenplatz-Skandals 1988 über den wohl bekanntesten österreichischen Nestbeschmutzer gesagt haben. Damals hatte das Theaterstück „Heldenplatz“ zu einer wüsten innenpolitischen Auseinandersetzung geführt, bei der das Burgtheater selbst zum Schauplatz eines kleinen „Bürgerkrieges“ wurde: ein Bauer hatte eine Ladung Mist vor den Toren des ehrenwerten ehemaligen Hoftheaters abgeladen, um gegen die wüsten Österreich-Beschimpfungen zu protestieren.

Heldenplatz 1988: Angriff auf die Zweite Republik

Die wenigsten Menschen, die sich damals über das Stück aufregten, hatten es allerdings tatsächlich gesehen, geschweige denn gelesen. Aber da vor der Premiere von „Heldenplatz“ nur einzelne aus dem Kontext gerissene Sätze in Umlauf gebracht worden waren, erwies sich die Geheimnistuerei um den eigentlichen Inhalt des Stückes im Nachhinein als geniale Marketingstrategie: Die ersten Leseexemplare waren erst am Tag der Uraufführung von "Heldenplatz" (4.11.1988) ausgeliefert worden.

Thomas Bernhard und Claus Peymann, die beiden so unterschiedlichen Charaktere, hatten in „Heldenplatz“ zu einer Mesalliance zusammengefunden, die gerade im Jubiläumsjahr 1938/88 die Gemüter dermaßen erhitzte, dass der Applaus am Ende der Premiere immerhin 45 Minuten andauerte – allerdings begleitet von unzähligen Buhrufen und lautstarkem Geschrei. Thomas Bernhard soll sich damals sogar artig vor seinem Publikum verbeugt haben, wie Sigrid Löffler (ZEIT) damals selbst gesehen haben will.

Weniger als vier Monate nach einem seiner größten Erfolge starb Thomas Bernhard ausgerechnet am Jahrestag des sozialdemokratischen Februaraufstandes, dem 12. Februar 1989. Thomas Bernhard hatte Zeit seines Lebens gegen die Doppelmoral und Heuchelei der Zweiten Republik gewettert und vor allem auf den Zusammenhang zwischen Nationalsozialismus und Katholizismus hingewiesen. In einer Art monologisierenden Suada eines Ich-Erzählers finden sich in seinen Romanen, Theaterstücken und Erzählungen und auch sehr viele weitere Beschimpfungen seines Heimatlandes, das ihn selbst gerne als Nestbeschmutzer rezipiert.

Ära Claus Peymann und Thomas Bernhard am Burgtheater

Untrennbar ist seither auch der Name des deutschen Burgtheaterdirektors Claus Peymann mit dem Schriftsteller Thomas Bernhard verbunden. „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ (Erstaufführung 1986) wurde eigens für Peymann geschrieben und gilt als besonderes Zeichen von Zuneigung eines Schriftstellers gegenüber seinem Theaterdirektor. Darin schreibt Bernhard unter anderem über die Erwartungshaltung eines Regisseurs an seinen Drehbuchautor:

Untrennbar ist seither auch der Name des deutschen Burgtheaterdirektors Claus Peymann mit dem Schriftsteller Thomas Bernhard verbunden. „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ (Erstaufführung 1986) wurde eigens für Peymann geschrieben und gilt als besonderes Zeichen von Zuneigung eines Schriftstellers gegenüber seinem Theaterdirektor. Darin schreibt Bernhard unter anderem über die Erwartungshaltung eines Regisseurs an seinen Drehbuchautor:

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Das Burgtheater und seine Feinde

Geradezu grotesk formuliert er die Gedanken von Geistesmenschen, die gegen eine  „stumpfsinnige Masse“ wettern auch in Holzfällen“ (1984)Die Ich-Erzählung eines Schriftstellers, dessen biografische Details zu annähernd hundert Prozent mit jenen des Autors identisch sind, kulminiert mit einer Einladung zum Abendessen mit alten Freunden. Neben Figuren aus dem Wiener Schriftstellermilieu soll auch ein berühmter Burgschauspieler kommen, der der Veranstaltung besonderen Glanz verleihen soll. Aber auf den Schauspieler wird vorerst vergeblich gewartet, und der Icherzähler verbringt die Zeit in einem Ohrensessel den Gesprächen der Anwesenden lauschend. In „Holzfällen“ lässt Bernhard einen Burgschauspieler der literarischen Figur Auersberger u.a. sagen:

„Wenn die Burgschauspieler sehen würden, wie miserabel sie Theater spielen, müssten sie sich doch alle umbringen. (…)Das Burgtheater hat immer Feinde gehabt, wie alles, das letztenendes doch das Beste ist. Das Burgtheater ist immer vor allem von denen angefeindet worden, die unbedingt an das Burgtheater wollten, die das Burgtheater aber abgelehnt hat. Alle Schauspieler, die nicht am Burgtheater engagiert sind, schimpfen solange auf das Burgtheater, bis sie am Burgtheater engagiert werden. Das war immer so. Das Außerordentliche zieht immer Feindschaft auf sich.“

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Thomas Bernhards kategorische Behauptungen und teilweise monotonen Wiederholungen gehören zu seinem spezifischen Stil, zu dem bis heute noch kein passendes Eigenschaftswort – wie etwa kafkaesk für Kafka’s Stil - gefunden wurde.

Eines seiner schönsten Bücher ist aber sicherlich „Alte Meister“, das er seinem „Lebensmenschen“ Hedwig Stavianicek, die weitaus älter war als Bernhard, widmete. Der letzte Satz mag auch heute noch manchem Besucher seiner Vorstellungen am Burgtheater zu denken geben: "Angesichts des Todes sei ohnehin alles sinnlos, letztendlich zähle nur die Liebe zu seinem Lebensmenschen." Bernhard hatte sie nur um knappe fünf Jahre überlebt.

Texte, Bücher, Theaterstücke

Das Werk des kalkulierenden Nestbeschmutzer verkauft sich übrigen sehr gut. Die Gesamtauflage von 1963 bis heute beläuft sich auf rund 3,5 Millionen verkaufter Bücher. Nicht weniger als 77 Titel von und über Thomas Bernhard sind bei Suhrkamp lieferbar.

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Edition Burgtheater II Thomas Bernhard: Ein Vierteljahrhundert Theatergeschichte ist auch in fünf beispielhaften Inszenierungen (vier von Claus Peymann, die jüngste von Philip Tiedemann) in der Burgtheater DVD-Edition erschienen. „Die Jagdgesellschaft“ war zwar anfangs noch Abonnenten-untaugliche Avantgarde, aber mit „Theatermacher“ und „Ritter, Dene, Voss“ feierte Claus Peymann bald seinen umjubelten Einstand am Wiener Burgtheater. „Heldenplatz“, der beispiellose Theaterskandal, wurde in mehr als 100 Vorstellungen vom Publikum gestürmt und seither in 15 Inszenierungen wiederaufgeführt. „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ war übrignes das erste Stück, das nach der Aufhebung von Bernhards testamentarisch verfügtem Aufführungsverbot durch seinen Nachlassverwalter in Österreich wieder zu sehen war.

Thomas Bernhard: Die Jagdgesellschaft Aufzeichnung aus dem Burgtheater 1974, Thomas Bernhard: Der Theatermacher Aufzeichnung aus dem Burgtheater 1986, Thomas Bernhard: Ritter, Dene, Voss Aufzeichnung aus dem Akademietheater 1986,
Thomas Bernhard: Heldenplatz Aufzeichnung aus dem Burgtheater 1988
Thomas Bernhard: Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen. Aufzeichnung aus dem Burgtheater 1998

Biografie Thomas Bernhard von Manfred Mittermayer (Germanist), erschienen im Residenz Verlag (Präsentation am 20. Oktober 2015 um 17:30 Uhr im Burgtheater)

Gesamte Werkausgabe Thomas Bernhard aus dem Suhrkamp Verlag

Theater und Kabarett

Adresse & Kontakt

Burgtheater
Universitätsring 2 in 1010 Wien
Ringstraße

Anfahrt:
Straßenbahn: 1, 71, D – Haltestelle Rathausplatz/Burgtheater
U-Bahn: U3 Station Herrengasse (Ausgang Minoritenplatz), U2 Station Schottentor (Ausgang Universitätsring)

Parken:
Tiefgarage Rathausplatz (ermäßigte "Kulturparken"-Pauschale! Parkticket im Kassen-Foyer des Theaters entwerten lassen)
Kurzparkzone Innere Stadt

Kartenvertrieb und Bestellbüro:
Tel: +43 1 513 1 513
bestellbuero(at)burgtheater.at
Online-Kartenbestellung unter ticket.burgtheater.at


Zur Website
+43 1 51444 4140
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Jürgen K.

07. März 2016 - 15:28 Uhr

" Wien bleibt Wien! ", so sagten es viele meiner Verwandten früher und schwärmten dabei regelrecht von Wien, und das ist auch schon wieder Jahrzehnte her. Wien und Salzburg leben und brillieren ständig mit hoher Kunst, Kultur und Musik. " Es gibt in Wien nichts, was es nicht gibt ", ergänzten meine Verwandten früher sehr oft. Denken wir nur an die unsterblichen Stars: Thomas Bernhard, Wolfgang A. Mozart, Herbert Feuerstein. Letzterer, der Thomas Bernhard persönlich kannte, ihn einmal traf, wie er es in der damaligen Harald-Schmidt- Show sagte, begeisterte jüngst, am Freitag letzter Woche, die 90 Gäste der Kulturfabrik in der Domstadt Fürstenwalde/Spree im Landkreis Oder-Spree ( Märkische Oderzeitung MOZ, vom 7. 3. 2016, S. 14 ). Bernhard revolutionierte die Literatur, durch seinen neuen Schreibstil, Mozart die Musik und Feuerstein die Comedy. Vorgestern starb in Wien der " Meister der Alten Musik ", Nikolaus Harnoncourt, dem wir gedenken, auch er bleibt unsterblich,

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Susanne

09. November 2015 - 07:35 Uhr

Ihnen ist ein Fehler bei der Datumsangabe der 2. Lesung unterlaufen. Diese Lesung fundet am 28.11. statt und nicht am 20.11.

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