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Geschichte der Ottakringer Bierbrauerei – Ein Rückblick
Von der Anfangszeit bis zur Gegenwart
1. Gründer- und Aufbaujahre – Die Anfänge der Ottakringer Bierbrauerei
Im Jahr 1837 erhielt der Müllermeister Heinrich Plank aus Rannersdorf von der damaligen Stiftsherrschaft Klosterneuburg die Braubewilligung und damit das Recht, auf der Riede Paniken in Ottakring ein Brauhaus zu errichten. Der Lokalhistoriker Franz Gaheis hatte die Gegend um 1800 als "des heiligen Römischen Reiches größtes Wirtshaus" bezeichnet. Von den damals 150 Häusern hatten 102 die sogenannte Schankgerechtigkeit. In den Vororten Wiens gab es damals noch 44 Brauerein.
1850 kauften die aus Lundenburg/Breclav (zwischen Pressburg und Brünn) stammenden Cousins Ignaz und Jacob Kuffner die Brauerei. Die Kuffners brachten nicht nur die Brauerei auf Vordermann, sondern waren in Ottakring auch bald als Wohltäter und politische Köpfe gefragt. So ließ Ignaz Kuffner etwa ein Spital errichten und sprang immer wieder ein, wenn es galt, der finanzschwachen Gemeinde aus der Patsche zu helfen. Nachdem Ignaz Kuffner 1869 zum Ottakringer Bürgermeister gewählt wurde, schuf er unter anderem eine Schulstiftung, die erste betriebseigene Speiseanstalt für Arbeiter, stockte die Schülerbibliothek auf, ließ an die Armen Holzdeputate verteilen und widmete nicht zuletzt beträchtliche Mittel seines Vermögens der Förderung seines jüdischen Glaubens. 1878 wurde der "Wohltäter der Armen" von Kaiser Franz Joseph I. in den Adelsstand erhoben.
Moriz Kuffner wurde nach dem Tod seines Vaters (1882) zum Universalerben. Moritz Kuffner galt als Philosoph, Kunstliebhaber und Hobbygastronom. Die von ihm gegründete Sternwarte am Gallitzinberg galt als eine der bedeutendsten Warten der Donaumonarchie. 1905 ließ Kuffner die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umwandeln. In seinem Palais gegenüber der Brauerei traf sich bei zahlreichen Empfängen und Soireen die politische und intellektuelle Oberschicht Wiens. Hier verkehrte der Kardinal-Erzbischof ebenso wie der Wiener Ober-Rabbiner.
2. Nazi-Diktatur und Zweite Republik
Die feinsinnige Zeit der Menschlichkeit endete spätestens in den 30er-Jahren unter den Stiefeltritten der Nationalsozialisten. Als Jude war Moritz Kuffner immer stärker mit den Anfeindungen der Nazis konfrontiert. 1938, noch vor dem Einmarsch der deutschen Armee in Österreich, zog der damals 85jährige die Konsequenzen: Nach eiligen Verhandlungen verkaufte er die Brauerei an Gustav Harmer. Der Presshefe- und Spiritusfabrikant aus Spillern bei Stockerau war ursprünglich nur an Kuffners Hefefabrik interessiert. Für die ganze Brauerei könne er auch nicht ausreichend Geld aufbringen, argumentierte Harmer damals. Doch weil die Zeit drängte, einigten sich Kuffner und Harmer auf einen Verkauf in Bausch und Bogen um einen auch damals relativ geringen Betrag von 14 Millionen Schilling.
1945 besetzten die Russen die Brauerei und stellten sie unter treuhändische Verwaltung. 1946 gelang der Familie Harmer der Beweis, dass sie die Brauerei rechtmäßig erworben hatte. Von 1939 bis 1945 wurde aus Rohstoffmangel nur 2,5grädiges Dünnstbier gebraut. Am 27. April 1945 begann in Österreich mit der Proklamation der "provisorischen österreichischen Staatsregierung" die Zweite Republik. Zwei Monate später, am 21. Juni, vermeldete die Zeitung "Neues Österreich": "Es gibt wieder Bier". Aber erst 1949 wurde wieder das klassische 12grädige Lagerbier gebraut.
1949/1950 wurden die Erben des 1939 in Zürcher Exil verstorbenen Moritz Kuffner von der Familie Harmer mit rund elf Millionen Schilling abgefunden. Der Historiker Univ.-Doz. DDr. Oliver Rathkolb stellt in seinem Gutachten "Restitutionsvergleich - Die Dokumentation eines Falles", Wien, 2000, unter anderem folgendes fest: "In der Gesamtbeurteilung kann festgehalten werden, dass die Familie Harmer sowohl 1938 als auch nach 1945 bestrebt war, eine - unter den Rahmenbedingungen des NS-Regimes - korrekte Abwicklung des durch die Gestapo-Drohungen gegenüber der Familie Kuffner initiierten Verkaufs durchzuführen. Nach 1945 suchte die Familie aktiv Kontakt zum Familienoberhaupt Stephan Kuffner in den USA und strebte eine endgültige Regelung - noch vor Erlassung der Rückstellungsgesetze - an." Und weiter: "Es gibt wohl wenige Restitutionsfälle, aber auch Erwerbungen nach der Machtübernahme des NS-Regimes 1938, in denen die bestehenden politischen Rahmenbedingungen zugunsten der Opfer und ursprünglichen EigentümerInnen so extensiv ausgenützt wurden, wie im Falle der Ottakringer-Kuffner-Gruppe."
3. Die Geschichte der Ottakringer Bierbrauerei in jüngeren Jahren
1962 trat Dr. Gustav Harmer und sein Schwager Dkfm. Engelbert Wenckheim in das Unternehmen ein. Schrittweise übernahmen sie gemeinsam die Führung des Unternehmens von Seniorchef Gustav Harmer.
1967 beginnt für die Ottakringer Brauerei mit der Markteinführung des Goldfassl eine neue Ära. Das Goldfassl Pils ist Österreichs erstes Pils. Eine der spektakulärsten Schritte unternahm das Führungsduo 1977: Die Ottakringer Brauerei trat aus dem Bierkartell aus und sprengte es damit. Seither besteht kein Gebietsschutz mehr und die Gastronomen haben die Freiheit, sich den für sie besten Bierlieferanten zu wählen.
1986 geht die Ottakringer Brauerei AG an die Börse. Seither notiert das Unternehmen im Standard Market Auction (ehemaliges C-Segment) der Wiener Börse. 1989 führt die Ottakringer Brauerei als erste und bisher einzige Brauerei Österreichs die elegante grüne Schulterflasche ein (alle anderen Brauerein haben braune NRW-Flaschen). 1992 erobert Ottakringer mit Null Komma Josef den alkoholfreien Biermarkt.
1989 übernimmt Mag. Siegfried Menz die Gesamtverantwortung für den kaufmännischen Bereich, seit 2000 ist Menz Vorstandsvorsitzender der Ottakringer Brauerei AG. Zweiter Vorstand ist seit 2000 Christiane Wenckheim, die zuvor Marketingmanagerin der Brauerei war.
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