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Sonnentor: Mit Bio-Kräuter erfolgreich und ethisch wirtschaften

Eingangsbereich Betrieb Sonnentor Sprögnitz/Waldviertel
© Sonntor | Der Mensch steht im Mittelpunkt. Das zeigt sich bereits plakativ im Eingangsbereich bei Sonntor im Waldviertler Sprögnitz.

Wie man mit hochqualitativen Bio-Tees und Bio-Gewürzen nachhaltig und unter den Gesichtspunkten der Gemeinwohl-Ökonomie erfolgreich wirtschaften kann, beschreibt Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann im Interview.

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Die Firma Sonnentor ist in aller Munde. Nicht nur, dass Millionen Menschen den Tee des österreichischen Erfolgsunternehmens trinken; viele sprechen auch darüber, wie ein Unternehmen, dass sich der Gemeinwohl-Ökonomie verpflichtete, einen Umsatz von mittlerweile über 35 Millionen Euro im Jahr erwirtschaften kann. Das Team von stadt-wien.at traf den Unternehmensgründer Johannes Gutmann, um mit ihm über den Erfolg seines außergewöhnlichen Betriebs zu sprechen. In der Sonnentor-Filiale an der Landstraße verzauberten uns nicht nur die wohltuenden Düfte, sondern auch die Geschichte eines Menschen, der zu Beginn als „bunter Hund“ gehandelt wurde und dieses Image bis heute pflegt.

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Herr Gutmann, Sie wurden zu Beginn Ihrer Laufbahn von allen Seiten als „bunter Hund“ bezeichnet. Fühlen sie sich immer noch als bunter Hund?

Ja, natürlich! Auf einen bunten Hund schaut man ja immerhin auch, also bin ich lieber mir selbst treu und ein bunter Hund, als langweilig und fad.

Hat dieses Image ihrem Erfolg geholfen?

Da bin ich mir ganz sicher. Aus meiner Lederhose ist beispielsweise eine eigene Marke geworden. Sie ist über 90 Jahre alt, sieht dementsprechend aus und meine Einzige – eine Marke eben. Ich habe sie zum ersten Mal mit 17 Jahren getragen und da bemerkte ich, wie sehr sie auf die Leute wirkt. Egal ob ich sie auf Messen, in New York oder Paris trug, die Leute waren fasziniert und wollten wissen wer ich bin und was ich tue. So kam auch das Image auf, dass ich ein bunter Hund sei, das ich ja bis heute gerne hege und pflege.

Was unterscheidet Sie von Konkurrenten wie Alnatura?

Einer der wichtigsten Unterschiede ist sicherlich, dass wir für uns selbst produzieren. Da wir nicht für andere produzieren müssen, haben wir auch den Luxus und die Möglichkeit, dass wir unseren Prinzipien treu bleiben. Diese Qualität, die wir anbieten, gibt es also nur unter unserer Marke und somit unter unseren Bedingungen. Einer großen Handelskette haben wir uns nicht zu beugen. Damit verhindern wir es auch im Supermarkt mit anderen in Konkurrenz treten zu müssen. Unsere Produkte müssen nicht verzweifelt immer billiger und billiger werden, wodurch wir die Qualität halten können, es zu keiner Wertminderung der Marke „Sonnentor“ kommt und wir letztlich auch verhindern, dass durch sogenannte Rationalisierung wichtige Arbeitsplätze verloren gehen.

Ihre Produkte sind für höchste Qualität bekannt. Wie wählen Sie ihre Produzenten aus und sichern die Qualität?

Wichtig ist, dass bei uns nur anerkannte Bio-Bauern liefern dürfen. Wer als Bauer gerade dabei ist seinen Betrieb auf ökologische Landwirtschaft umzustellen, hat bei Sonnentor nichts verloren. Wir brauchen verlässliche Partner mit Erfahrung, die bereit sein müssen mit uns zu kooperieren um hochqualitativen Tee und Gewürze anzubauen und diese auch selbst zu ernten und zu trocknen. Wir wollen langfristige und verlässliche Partner um nachhaltig Strukturen aufzubauen.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie einen neuen Produzenten für Ihre Produktlinie suchen?

Das ist gar nicht so schwer, wie man vielleicht denkt. Meistens kommen nämlich die Leute mit guter Qualität und Produkten zu uns. Das liegt oft daran, dass sie am Markt mit ihrem Produkt nicht so erfolgreich sind, wie sie es sein könnten oder sich wünschen. Vor allem auf Messen finden wir neue Produzenten und wenn wir der Ansicht sind, dass so ein Produkt gut zu Sonnentor passt, dann haben wir einen neuen Lieferanten gewonnen.

Das Sonnentor-Sortiment umfasst mittlerweile über Tausend Produkte. Welche Pläne und Ideen gibt es für die Zukunft?

Grenzen gibt es bei uns nicht. Ideengeber bei uns ist der Fan, der Kunde. Jene sagen uns, was sie wollen und wir sehen zu, dass wir das hinkriegen. Pro Jahr bringen wir etwa 20 neue Produkte auf den Markt und etwa zehn verschwinden. Dadurch begrenzen wir uns nicht. Nur wer begrenzt denkt, handelt auch begrenzt.

Die Gemeinwohlökonomie ist ein 2010 in Österreich entwickeltes Konzept, das nicht Gewinnmaximierung sondern ethisches Handeln und das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung und Transparenz bilden die Eckpfeiler.

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Was sind Ihre Eckpfeiler der Gemeinwohl-Ökonomie?

Leben und leben lassen war für mich immer das Wichtigste. Ich habe zuvor unselbständig gearbeitet und erlebte dabei stark, wie schrecklich das sein kann. Man ist dabei oft von den Launen eines Chefs abhängig, der emotional eher labil ist und nicht selten kommt es vor, dass man seinen Lohn zu spät oder gar nicht bekommt. Daher behandle ich meine Mitarbeiter so, wie ich selbst behandelt werden will. Es geht darum, dass alle sich wohl fühlen und ein gutes Auskommen haben.

Ist Sonnentor da ein Vorzeigeunternehmen?

Na ja – zumindest ein Pionier in Österreich. Nachhaltigkeit, Demokratie und Zufriedenheit werden bei uns groß geschrieben. Ich war so froh, als Christian Felber das Prinzip in einem Buch verschriftlicht hatte. Bereits bevor es die Gemeinwohl-Ökonomie offiziell so gab, versuchte ich danach zu arbeiten und zu wirtschaften. Bei mir stand schon immer der Mensch im Mittelpunkt und nicht das Geld. Dass Christian Felber dem einen theoretischen Unterbau verpasste, empfand ich als Bestätigung, dass es noch andere gibt, die so denken. Das war sehr erleichternd.

In welchen Bereichen der Wirtschaft eignet sich diese Form des alternativen Wirtschaftens noch?

Also ehrlich gesagt denke ich, dass sich die Gemeinwohl-Ökonomie für alle Bereiche eignet! Die Gemeinwohl-Ökonomie hat überall ihre Vorteile. Wenn sich Betriebe die Zeit nehmen würden ihr gesamtes Tun zu hinterfragen, dann brächte das für den Betrieb und die Mitarbeiter nur Vorteile.

Sie nutzen das Prinzip des ethischen Finanzmanagements – was ist das?

Wenn wir einen finanziellen Überschuss haben, dann stellen wir sicher, dass das in Fonds investiert wird, die nichts mit Waffen, Atomenergie und so weiter zu tun haben. Das würde uns zwar kurzfristig sicher mehr Geld bringen, aber es ist nicht das, was wir wollen. Wir achten auch darauf, dass wir regionale Banken unterstützen. Ganz wichtig ist uns, dass es keine Bonifikation für unsere Manager gibt. Überschuss kommt allen zugute!

Mit den Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie braucht es auch Regeln und Grenzen – Wie machen Sie das?

Das Ganze basiert zuvorderst auf Vertrauen. Unsere Partner müssen uns und wir unseren Partner vertrauen können. Ich selbst versuche immer mit gutem Beispiel voranzugehen, bin sozusagen der Vorturner. Jeder hat bei uns drei Chancen – nach zwei gelben Karten bekommt man beim dritten Mal eine Rote und fliegt. Es kann ja sein, dass Umstände die Lieferung eines Bauern verhindern. Aber jährlich immer die selben Ausreden, das kann es nicht geben und da steckt dann meistens mehr dahinter. Vielleicht hat ja auch ein Konkurrent von uns versucht, die Ernte mit höheren Preisen abzuwerben, wenn zum Beispiel das Rohprodukt am Markt knapp ist. So kann man mit uns nicht zusammenarbeiten.

Wie suchen Sie Ihre Kooperationspartner aus?

Man braucht schon sehr viel Menschenkenntnis, aber das ist ja bei jedem Menschen anders. Manche durchschaut man leicht, andere wiederum sehr schwer. Ich denke, dass ich selbst nach wie vor einfach oft zu dumm bin, Menschen zu verstehen. 

Wie sehen Sie die unmittelbare Zukunft der Lebensmittelbranche?

Jeder mit einem guten, nachhaltigen Konzept, sowie qualitativen Produkten wird auch in Zukunft seinen Markt finden. Wer denkt, er kann mehr Lebensmittel produzieren und gleichzeitig billiger verkaufen, wird langfristig untergehen. Jeder ist gut darin beraten kreativ zu sein und eigene Konzepte zu entwickeln. Nur so kann man sich von der billigen Masse hervortun.

Was erwarten Sie von der Politik im Hinblick auf CETA und TTIP?

Ich habe das Gefühl, dass unsere politischen Vertreter zu Verrätern mutiert sind. Gerade Wirtschaftsvertreter haben offenbar keine Ahnung von Wirtschaft und dazu noch schlechte Berater. Gemeinsam mit Kollegen haben wir eine Plattform gegen TTIP gegründet, in der wir uns stark engagieren, um der Politik etwas entgegen zu setzen. Mehr zur Plattform KMU gegen TTIP

Was würden Sie jungen Unternehmern raten?

Gemeinwohl-Ökonomie sollte man zu Beginn nicht auf Punkt und Beistrich einhalten. Man kann gerne danach handeln, sollte sich aber nicht zertifizieren lassen. Dazu fehlt es im Anfangsstadium an zu vielen Bereichen und zu wenige verstehen auf Anhieb dieses alternative Wirtschaftsmodell. Man muss sich aber ein Betätigungsfeld schaffen, das Spaß macht und niemanden ausbrennt. Wichtig sind langfristige Unternehmenswerte, welche den Betrieb einzigartig machen. Wenn ich etwas gerne und gut und mit nachhaltigen Ideen mache, kann ich immer davon leben. Aber natürlich muss man erkennen, was unnötig ist. Man ist immer gut damit beraten etwas am Boden zu bleiben!


stadt-wien.at dankt für das Interview!

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