Nachhilfe - ein teures Unvergnügen!

Detailaufnahme Schulabschlusszeugnis
© Melanie Jedryas/Pixelio.de | Jedes Jahr geben Österreichs Eltern 125 Millionen Euro für Nachhilfe aus.

Jahr für Jahr werden in Österreich mehr als 100 Millionen Euro für bezahlten Nachhilfeunterricht ausgegeben - Tendenz steigend. Was für die SchülerInnen anstrengende Nachmittage bedeutet, stellt viele Eltern auch finanziell vor Schwierigkeiten. So beginnt nach und nach der Weg in die soziale Differenzierung.

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Wer besucht den Nachhilfeunterricht?

Wenn auch bei SchülerInnen wie Eltern gleichermaßen unbeliebt, gehört die Nachhilfe mittlerweile doch für jede vierte Familie zum Alltag. Entgegen der verbreiteten Meinung, dass Nachhilfe nur von SchülerInnen mit schlechten Noten in Anspruch genommen wird, gaben in einer Studie des "Instituts für empirische Sozialforschung" (IFES) immerhin 43 Prozent der Befragten, eine bessere Note, als Motiv an. Nur ein Drittel wollte eine negative Note im 
Zeugnis verhindern.

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Alternativen zum bezahlten Nachhilfeunterricht

Nachhilfe dient jedoch keineswegs als Kompensation für fehlendes Engagement der Eltern, sondern wird besonders häufig von Erziehungsberechtigten bezahlt, die auch selbst dem Nachwuchs beim Lernen unter die Arme greifen. Generell versuchen Österreichs Eltern ihre Kinder so gut wie möglich selbst zu unterstützen. 

Bis zum Ende der Schulpflicht helfen knapp 90 Prozent ihren Sprösslingen regelmäßig beim Erledigen von Aufgaben und beim Lernen. In den höheren Schulen liegt der Anteil immer noch bei 50 Prozent, wobei der Rückgang auch mit dem zunehmend komplexeren Lehrstoff zusammenhängt. Oftmals führt die innerfamiliäre Unterstützung jedoch zu schlechter Stimmung und Stress bei Kindern und Eltern. Statt gemeinsamen Freizeitaktivitäten stehen am Abend sowie an den Wochenenden oft aufreibende Lerneinheiten am Programm.

Aufgrund dieser Sachlage erscheint es nicht verwunderlich, dass von Seiten der Eltern der Ruf nach externer Nachmittagsbetreuung laut wird. Doch seit Jahren hinken die politischen EntscheidungsträgerInnen in puncto schulischer Nachmittagsbetreuung, Hortbetreuung und Ganztagsschulen den Forderungen der Erziehungsberechtigten hinterher. Vor allem Alleinerziehende sind auf solche Einrichtungen angewiesen, da sie sich den "Luxus" Teilzeitarbeit nicht leisten können. Oftmals stehen jedoch die notwendigen Ressourcen nicht zur Verfügung, sodass sich die Eltern gezwungen sehen auf bezahlte Nachhilfe zurückzugreifen.

Wie viel wird für Nachhilfe ausgegeben?

Pro Jahr werden ungefähr 125 Millionen Euro für den Unterricht nach dem Unterricht ausgegeben. Betroffen ist davon jeder fünfte Haushalt mit Kindern, diein die Schule gehen. Durchschnittlich 680 Euro werden dabei im Jahr ausgegeben. Besonders kostenintensiv gestaltet sich der Nachhilfeunterricht während der AHS-Oberstufe, mit ungefähr 830 Euro jährlich. Für viele Familien stellt dies eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Andere können sich Nachhilfe schlicht und einfach nicht leisten. Zu dieser Gruppe zählen erwartungsgemäß vor allem Haushalte mit einem Nettoeinkommen unter 1600 Euro, Alleinerziehende, Familien mit Migrationshintergrund und auch kinderreiche Familien, die sich einer Mehrfachbelastung ausgesetzt sehen.

Unser Schulsystem fördert soziales Ungleichgewicht

Betrachtet man die Ergebnisse der Studie des IFES so wird deutlich, dass unser derzeitiges Bildungssystem das Glück der SchülerInnen in die Hände der Erziehungsberechtigten legt. Aufgrund der fehlenden institutionalisierten Nachmittagsbetreuung müssen die Eltern entweder selbst mit den Kindern lernen, oder für externe Nachhilfe sorgen. Diese Umstände führen dazu, dass die angebliche Chancengleichheit des öffentlichen und kostenlosen Schulsystems aufgehoben werden und die soziale Differenzierung verstärkt zu Tage tritt.

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Ziel: Ganztagsschule und Nachmittagsbetreuung für alle

Mit einem flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschulen und qualifizierter und kostenloser Nachmittagsbetreuung könnte dieser Tendenz entgegengewirkt werden. Diese Maßnahmen würden die Eltern nicht nur finanziell und zeitlich entlasten, sondern auch zu einem entspannteren Familienklima beitragen. Ob, und wenn ja wann, diese seit langem geforderten Reformen tatsächlich umgesetzt werden, liegt jedoch leider Gottes in den Händen der PolitikerInnen, der beiden Großparteien, die es jahrelang nicht geschafft haben, in puncto Bildung sachlich zu diskutieren.

Mehr Informationen zur Studie des IFES hier!

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Meinrad

14. September 2014 - 23:22 Uhr

Eine verpflichtende Nachmittagsbetreuung in einer Ganztagsschule schränkt natürlich die Freiheit der Entwicklung eine Kindes oder eines Jugendlichen zeitlich erheblich ein. Bleibt dann noch Zeit zum Fußballspielen, zum Musizieren, Herumtollen und Flanieren, oder was auch immer - aber auch die frei Zeit zum selbständigen Lernen? Nach der Verschulung der Unis gibt es dann die Verschulung der ganzen Gesellschaft! Ist das der Weisheit letzter Schluß?

Alle Kommentare anzeigen

Franz Schnecko

08. September 2014 - 10:29 Uhr

Ich glaube der Zeitgewinn kann dort geltend gemacht werdend, wo Eltern nicht mehr mit den Kindern lernen müssen, nachdem diese von der Schule nach Hause gekommen sind.

Indira

16. August 2014 - 12:47 Uhr

Guter Text, keine Frage! Ich will mich einmischen;-) :Grundsätzlich ist die Forderung nach mehr Unterstützung seitens der Eltern voll und ganz verständlich, aber wo bleibt dann die zurückgewonnene Freizeit für die Familie, wenn die Kinder ihre Zeit in der Nachmittagsbetreuung verbringen. Diese Maßnahme setzt meiner Meinung wie in der Schulmedizin lediglich bei den Symptomen an, nicht bei der Ursache, das wäre dann der unzureichende Unterricht, oder/und der wachsende Leistungsdruck innerhalb der Gesellschaft. Es könnte dadurch auch schwierig werden, zu verhindern, dass die Nachmittagsbetreuung eine freiwillige Sache bleibt und nicht letzten Endes den Nachmittagsunterricht ersetzt, bei dem man anwesend sein sollte, will man mit den anderen mithalten. Nachdem aber nicht zu erwarten ist, dass unseren Politikern dagegen etwas sinnvolles einfällt, wäre auf mehr Wiederstand seitens der Bevölkerung zu hoffen, sei es nun indirekt (durch eine kreative Lebensgestaltung, die das aktuelle System umgeht) oder direkt durch öffentlichen Protest. Für letzteres sind wir Österreicher nur leider meist zu faul...

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